Objekt des Monats
März 2023 |
Guckkastenblätter - Die Lust des Schauens im 18. Jahrhundert |
1. Paris. - Jardin du Luxembourg 2. Florenz. - Gesamtansicht. 3. London. - Themse mit St. Paul. 4. Dresden. - Schloss Pillnitz. 5. Nürnberg. - Rathaus. 6. Berlin. - Gesamtansicht. Die Welt der Guckkastenblätter Wer heute etwas von der Welt sehen will, kann dies unter anderem mittels eines Computers oder Mobiltelefons tun. Zahlreiche Plattformen, oftmals den sogenannten sozialen Medien zuzuordnen, bieten mit einem "Blick in einen Kasten" Bilder und Videos aus aller Welt und allen Lebensbereichen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also einer Zeit lange vor Internet, Fernsehen, Guckkästen und die dazugehörigen Guckkastenblätter waren (und sind) ein Blick in die Welt. In einer Zeit ohne preiswerte Bildbände, Fernseher und Internet war der Blick in die Welt – bzw. andere Welten als die des Betrachters – nur Wenigen vorbehalten. Reisen war teuer, oder zumindest sehr mühselig und gefährlich, und Bücher, mit oder ohne Bilder, für viele nicht erschwinglich. Da war man froh, wenn ein Geschichtenerzähler von einer anderen Welt erzählte, ein Bänkelsänger eine Moritat, am besten mit bildlicher Unterstützung, vortrug oder eben ein Guckkästner einen, oftmals vom Schausteller erklärend untermalten Blick in die nahe oder weite Ferne ermöglichte. Der Guckkästner war Schausteller, der mit seinem Guckkasten auf Festen und Jahrmärkten anzutreffen war und dort dem geneigten Publikum den Blick in seinen geheimnisvollen Kasten ermöglichte. Durch eine oder zwei Linsen konnte der Betrachter, direkt oder gespiegelt, Bilder der unterschiedlichsten Art betrachten. Da gab es insbesondere Bilder von fremden Ländern, Städten und Völkern. Aber auch Bilder von Katastrophen, von Kriegen und anderen wichtigen Ereignissen waren dabei. Eben alles, was das Publikum (hoffentlich) sehen wollte. Die mehr oder weniger naturgetreuen Darstellungen waren meist koloriert, wenngleich häufig etwas grob und oftmals sogar mit Schablonen ausgeführt, und hatten beigefügte Titeleien, die der Schausteller dem Publikum zur Kenntnis bringen konnte. Manche Guckkastenmänner hatten sogar Bilder, bei denen die Fenster von Gebäuden oder andere Stellen kleinteilig ausgeschnitten und mit buntem transparenten Papier hinterlegt waren. So konnte durch eine dahinter platzierte Lichtquelle eine hübsche Illumination erzeugt werden. Insbesondere um die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts scheint dies ein erfolgreicher Geschäftszweig gewesen zu sein. Gleich mehrere Verlage begannen mit der Produktion der, zuweilen auch für die Guckkästen mit Spiegeloptik seitenverkehrten, Kupferstiche, welche die Schausteller benötigten. Schließlich begannen sogar verschiedene Unternehmen in der "Bilderfabrik Europas", in Augsburg, mit der Produktion von Guckkastenblättern. Eine große Anzahl dieser Blätter wurde ge- und auch verbraucht. Dennoch sind zahlreiche Blätter erhalten, wenngleich meist mit Gebrauchsspuren. Neben den erwähnten Ausschnitten zur Illumination, wurden viele Blätter auf Karton aufgezogen, randverstärkt oder nach intensivem Gebrauch repariert und ergänzt. Deshalb sind tadelfrei erhaltene Blätter eher selten. Wir finden jedoch, dass gerade die Gebrauchsspuren, im Gegensatz zu anderen Bereichen der Graphik, bei den Guckkastenblättern einen Teil der Authentizität ausmachen. |